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"Brücken bauen"

Ein Kommentar von Ceyhun Yildirim (Ausländerbeirat Nauheim) zum Tag der Deutschen Einheit und einer künftigen Veranstaltung „Tag der Vielfalt, Tag der Gemeinsamkeit“ zusammen mit der Gemeinde Nauheim.

Seit 1990 feiern wir jedes Jahr am 3. Oktober die Deutsche Einheit. 45 Jahre nach dem Ende des zweiten Weltkriegs vereinten sich die Deutschen wieder in einem souveränen Staat. Ich bedanke mich bei allen Menschen, die ihre ganze Kraft für Frieden und Freiheit eingesetzt haben, sich gegen eine menschenverachtende Diktatur wehrten, die Mauer am 9. November 1989 zum Einsturz brachten und damit nach knapp einem Jahr den Weg zur Deutschen Einheit eröffneten. Endlich konnten die Menschen wieder Freiheit und Frieden erhoffen.

Auf beiden Seiten, BRD sowie DDR, lebten ebenfalls Einwandererfamilien, die genauso wie die Deutschen von der Situation betroffen waren. Die Migrantinnen und Migranten haben gemeinsam mit der deutschen Bevölkerung bis 1990 für die Erzielung der nötigen wirtschaftlichen Kraft beigetragen, mit der die Lasten der Wiedervereinigung überhaupt getragen werden konnte.

Jedoch war die Wiedervereinigung mit sehr hohen Kosten gebunden, die nach der Deutschen Einheit gemeinsam durch die in Deutschland lebenden Menschen unabhängig von der Herkunft solidarisch getragen wurden.

Am 3. Oktober 1990 plädierte der damaliger Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU), dass „von deutschem Boden in Zukunft nur der Frieden ausgehen“ wird. Leider kam es die Jahre danach vermehrt zu rassistischen und rechtsextremen Gewalttaten und Ausschreitungen in Deutschland, beispielsweise die Brandanschläge in Mölln (1992) sowie Solingen (1993). Menschen, deren Identität die Täter nicht als „deutsch“ interpretierten, waren in vielen Orten in Deutschland von Attacken gefährdet. Auch heute hat sich die Situation nicht allzu verbessert. Noch vor drei Jahren, am 19. Februar 2020, verloren innerhalb von nur einigen Minuten in Hanau neun Menschen mit Migrationshintergrund durch den rassistisch motivierten Anschlag ihr Leben. Warum? Diese Frage hat eine sehr bedrückende und schmerzende Antwort: Weil der Täter alle hasste, die er für fremd hält. Hass gegen Menschen, die unter uns leben, die zu uns gehören, zu unserer Stadt und unserer Nachbarschaft, die mit uns dieselben Schulen besuchen, derselben Arbeit gehen. So viel gemeinsamer Alltag, der zeigt, dass wir eigentlich zusammengehören - trotz unserer Unterschiede, dass diese Menschen eigentlich keine Fremden waren.

Wir müssen heute gemeinsam für mehr Gleichberechtigung und Gerechtigkeit, gegen Diskriminierung, Rassismus und Ausgrenzung kämpfen und nicht zulassen, dass diese einen Platz in der Gesellschaft haben. Jeder Mensch, unabhängig von Religion, Herkunft oder Hautfarbe hat es verdient, ohne Angst, sicher und frei zu leben.

Nach 33 Jahren der Wiedervereinigung sollten wir deswegen umgehend über einen zusätzlichen Feiertag, über einen „Demokratischen Tag der Vielfalt“ nachdenken, der gemeinsam in Deutschland gefeiert werden kann. Vielleicht versteht dann der Letzte, dass die Migrantinnen und Migranten ein Teil der deutschen Gesellschaft sind, denn sie haben an diesem Land seit Jahrzehnten mitgebaut und tun es noch heute.

Nur gemeinsam können wir für das Gemeinwohl und für die Stärkung des sozialen Zusammenhalts in Deutschland brücken bauen.

Aus diesem Grund plant der Ausländerbeirat nach Absprache mit der Gemeinde Nauheim in naher Zukunft eine Veranstaltung mit dem Motto „Tag der Vielfalt, Tag der Gemeinsamkeit“. Wer in dieser Veranstaltung mitwirken möchte, kann gerne jederzeit mit uns Kontakt aufnehmen.

Ceyhun Yildirim
Vorsitz des Ausländerbeirats Nauheim