Inhalt

Bauleitplanung

Ich möchte bauen - wann brauche ich eine Baugenehmigung?

Gesetzliche Grundlage für das Bauordnungsrecht ist die Hessische Bauordnung vom 28.05.2018 zuletzt geändert am 03.06.2020 (GVBI. S. 378). Sie regelt die Ausführung von baulichen Anlagen auf Grundstücken und bestimmt im Einzelnen die Anforderungen an deren Errichtung und Erhaltung, bauliche Änderung, Gestaltung, Nutzung, Nutzungsänderung und Abbruch.

Zuständig für die Durchführung der Baugenehmigungsverfahren sind die unteren Bauaufsichtsbehörden - für Nauheim:

Abteilung Bauaufsicht, Denkmalschutz, Immissionsschutz

Wilhelm-Seipp-Straße 4
64569 Groß-Gerau

Für die Beurteilung eines geplanten Bauvorhabens sind verfahrensrechtlich insbesondere die §§63 ff. HBO interessant. Hierbei wird unterschieden zwischen:

Baugenehmigungsfreie Vorhaben (§ 63 HBO)

Die Anlage zu § 63 HBO enthält eine abschließende Auflistung baugenehmigungsfreier Vorhaben, für die weder ein Bauantrag noch ein Anzeigeverfahren (bei der Gemeinde und/oder dem Kreis Groß-Gerau) notwendig ist. Hier handelt es sich überwiegend um Vorhaben, die bauordnungsrechtlich von geringer Bedeutung sind.

In dem Katalog sind auch Vorhaben aufgenommen, für die die Freistellung von der Baugenehmigung unter einen Vorbehalt gestellt ist, weil sie nur unter bestimmten Gesichtspunkten aus Gründen planungsrechtlicher Relevanz oder der öffentlichen Sicherheit und Ordnung der Überprüfung bedürfen. Die Bauaufsichtsbehörde bleibt in diesen Fällen unbeteiligt.

Soweit die Gemeinden bei Bauvorhaben, die dem Vorbehalt der Beteiligung der Gemeinde unterliegen, innerhalb von 14 Tagen nach Einreichen der erforderlichen Bauvorlagen fordert, dass ein Baugenehmigungsverfahren durchgeführt werden soll, hat die Bauherrschaft einen Bauantrag bei der Bauaufsichtsbehörde zu stellen, soweit sie nicht von der Maßnahme Abstand nimmt. Hört der Bauwillige innerhalb der 14-Tages-Frist von der Gemeinde nichts, kann er davon ausgehen, dass ein baugenehmigungsverfahren nicht notwendig ist und anfangen zu bauen.

Genehmigungsfreistellung (§ 64 HBO)

Keiner Baugenehmigung bedarf über § 63 hinaus die Errichtung, Änderung oder Nutzungsänderung von baulichen Anlagen, die keine Sonderbauten sind, wenn

    1. sie im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes im Sinne des § 30 Abs. 1 oder der §§ 12, 30 Abs. 2 des Baugesetzbuches liegen,

    2. sie keiner Ausnahme oder Befreiung nach § 31 des Baugesetzbuches bedürfen,

    3. die Erschließung im Sinne des Baugesetzbuches gesichert ist,

    4. sie keiner Abweichung nach § 73 bedürfen und

    5. die Gemeinde nicht innerhalb der Frist nach Abs. 3 Satz 4 erklärt, dass ein Baugenehmigungsverfahren durchgeführt werden soll, oder eine vorläufige Untersagung nach § 15 Abs. 1 Satz 2 des Baugesetzbuches beantragt.

Dies gilt auch für Änderungen und Nutzungsänderungen von Anlagen, deren Errichtung oder Änderung nach vorgenommener Änderung oder bei geänderter Nutzung nach dieser Vorschrift baugenehmigungsfrei wäre.

Die Genehmigungsfreistellung nach Abs. 1 gilt nicht für die Errichtung, Änderung oder Nutzungsänderung

    1. von Gebäuden, wenn dadurch Wohnflächen von insgesamt mehr als 5.000 m² geschaffen werden,

    2. baulicher Anlagen, die öffentlich zugänglich sind, wenn dadurch die gleichzeitige Nutzung durch mehr als 100 zusätzliche Besucher ermöglicht wird und

    3. baulicher Anlagen, die nach Durchführung des Bauvorhabens Tageseinrichtungen für Kinder sind,

sofern die Gebäude und baulichen Anlagen innerhalb des angemessenen Sicherheitsabstands eines Betriebsbereichs im Sinne des § 3 Abs. 5a und 5c des Bundes-Immissionsschutzgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 17. Mai 2013 (BGBl. I S. 1274), zuletzt geändert durch Gesetz vom 18. Juli 2017 (BGBl. I S. 2771), oder, wenn der angemessene Sicherheitsabstand nicht bekannt ist, innerhalb des Achtungsabstands des Betriebsbereichs liegen. Satz 1 gilt nicht, wenn dem Gebot, den angemessenen Sicherheitsabstand zu wahren, bereits in einem Bebauungsplan Rechnung getragen worden ist.

Die Bauherrschaft hat die erforderlichen Bauvorlagen bei der Bauaufsichtsbehörde einzureichen und kann eine schriftliche Fertigung der Unterlagen zusätzlich auch der Gemeinde vorlegen. Die Bauaufsichtsbehörde beteiligt unverzüglich die Gemeinde. Eine Prüfpflicht der Gemeinde und der Bauaufsichtsbehörde besteht nicht. Mit dem Vorhaben darf begonnen werden, wenn die Gemeinde innerhalb eines Monats, nachdem die Bauvorlagen bei ihr eingegangen sind, gegenüber der Bauaufsichtsbehörde

    1. nicht die Durchführung eines Baugenehmigungsverfahrens fordert,

    2. vorab den Verzicht hierauf mitteilt oder

    3. keine Untersagung nach § 15 Abs. 1 Satz 2 des Baugesetzbuches beantragt.

Die Frist nach Satz 4 beginnt spätestens zwei Wochen nach Eingang der erforderlichen Bauunterlagen bei der Bauaufsichtsbehörde. Die Zulässigkeit des Baubeginns nach Satz 4 teilt die Bauaufsichtsbehörde der Bauherrschaft mit. Will die Bauherrschaft mit der Ausführung des Vorhabens mehr als drei Jahre, nachdem die Bauausführung nach Satz 4 zulässig geworden ist, beginnen, gelten Satz 1 bis 5 entsprechend.

 

Vereinfachtes Baugenehmigungsverfahren (§ 65 HBO)

Dem vereinfachten Baugenehmigungsverfahren unterfallen exakt die Vorhaben, die auch der Genehmigungsfreistellung nach § 64 HBO unterfallen. Das vereinfachte Baugenehmigungsverfahren kommt immer dann zur Anwendung, wenn die sonstigen Voraussetzungen der Genehmigungsfreistellung nicht gegeben sind (wenn also das Vorhaben beispielsweise nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplans liegt oder die Erschließung nicht gesichert ist).

Im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren ist ein Bauantrag mit den erforderlichen Bauvorlagen unmittelbar der Bauaufsichtsbehörde einzureichen. Eine frühzeitige Abstimmung über den notwendigen Inhalt des Bauantrages mit der Bauaufsichtsbehörde kann zur Beschleunigung des Genehmigungsverfahrens beitragen.

Die Bauaufsichtsbehörde prüft das Vorhaben auf die Zulässigkeit

  • nach den Vorschriften des Bauplanungsrechts,

  • von beantragten Abweichungen vom Bauordnungsrecht,

  • nach anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften, soweit wegen der Baugenehmigung eine Entscheidung nach diesen Vorschriften entfällt (Bsp. Denkmalschutz),

  • daneben ist über die naturschutzrechtliche Eingriffsgenehmigung zu entscheiden.

Im Kern ist die Baugenehmigung in diesem Verfahren auf die planungsrechtliche Genehmigung reduziert. Damit wird die Eigenverantwortlichkeit der Bauherren und der am Bau Beteiligten gestärkt und das Verfahren beschleunigt.

Abweichungen von bauordnungsrechtlichen Vorschriften müssen gesondert beantragt und begründet werden. Die Bauaufsicht ist nicht verpflichtet, die Bauvorlagen hinsichtlich der Notwendigkeit von Abweichungen zu überprüfen.

Über den Bauantrag ist innerhalb von drei Montane nach Eingang des vollständigen Antrages zu entscheiden. Die Bauaufsicht kann diese Frist aus wichtigem Grund um bis zu zwei Monate verlängern. Wenn über den Antrag nicht innerhalb der Frist entschieden worden ist, gilt die Genehmigung als erteilt. Der Eingang des vollständigen Bauantrages ist der Bauherrschaft zu bestätigen. Der Eingang der vollständigen Unterlagen ist für den Beginn der Frist maßgeblich.

Stellt sich im Laufe des vereinfachten Verfahrens heraus, dass zur Entscheidung erforderliche Bauvorlagen fehlen, hat die Bauaufsichtsbehörde diese von der Bauherrschaft nachzufordern. Eine bereits erteilte Bestätigung der Vollständigkeit des Bauantrages ist mit der Nachforderung richtig zu stellen. Die Entscheidungsfrist beginnt mit dem Eingang der fehlenden Unterlagen erneut.
 

Das "herkömmliche" Baugenehmigungsverfahren (§ 66 HBO)

Dem Baugenehmigungsverfahren nach § 66 HBO unterfallen

    • alle Sonderbauten (§ 2 Absatz 9 HBO),

    • Gebäude der Gebäudeklassen 4 und 5, ausgenommen Wohngebäude,

    • zugehörige Nebengebäude und Nebenanlagen.

Die Bauaufsichtsbehörde prüft die Zulässigkeit des Vorhabens

    • nach den Vorschriften des Bauplanungsrechts,

    • nach den Vorschriften des Bauordnungsrechts,

    • nach anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften, soweit wegen der Baugenehmigung eine Entscheidung nach den fachgesetzlichen Vorschriften entfällt oder ersetzt wird oder in anderen Fachgesetzen kein Zulassungsverfahren vorgeschrieben ist.

Wichtig zu wissen

Die Hessische Bauordnung hat zum Ziel, die Eigenverantwortung der Bauherrschaft zu stärken und den Staat aus der präventiven Baukontrolle zurück zu ziehen. Deshalb liegt die Entscheidung, unter welchen Paragraphen das jeweils geplante Bauvorhaben fällt und welche Unterlagen bei welcher Behörde einzureichen sind, allein bei dem Bauherrn. Schon aus Haftungsgründen kann eine Beratung der Gemeinde nicht stattfinden – diese ist nach dem Gesetz auch nicht vorgesehen, da die Gemeinde die bei ihr eingereichten Bauvorlagen lediglich im eigenen Interesse (bauplanungsrechtlich) prüft (eine Pflicht zur Prüfung besteht nicht).

Die Freistellung von der Baugenehmigungspflicht oder der bauaufsichtlichen Prüfung entbindet ferner natürlich nicht von der Verpflichtung, die an bauliche Anlagen gestellten Anforderungen einzuhalten. Auch hierfür sind die Bauherrschaft und die am Bau Beteiligten selbst verantwortlich.